2002

Bericht aus dem Landboten vom Dienstag 9. Juli 2002

 

Pferde sind Therapeuten

Seit 15 Jahren bietet der Altiker "Fannyhof" gesunden und behinderten Menschen die Möglichkeit, im Umgang mit Pferden ihre Fähigkeiten zu trainieren. Vorgestern traf sich die "Fannyhof"-Familie zum Jubiläumsfest.

DORA MANZ

"Frosti, du bist das beste Pferd der Welt", heisst es in einem der an die Wände des Offenstalls gehefteten Briefchen, in denen die "Fannyhof"-Kinder ihre innigen Beziehungen zu ihren vierbeinigen Freunden und Partnern in Worte fassen. Einige dieser Botschaften sind von ungelenker Hand geschrieben: Ein Teil der Kinder, die hier Schritt für Schritt und im für sie richtigen Tempo den Umgang mit Pferden lernen, müssen mit irgendeiner Beeinträchtigung geistiger, körperlicher oder seelischer Art leben. Das Heilpädagogische Reiten hilft dabei.

Die Primarlehrerin und ausgebildete Reittherapeutin Andrea Stefanoni hat diese Institution vor 15 Jahren gegründet. Die Heilpädagogin Birgitt Maltry ist seit 1988 dabei. Seit 1991 widmet sie sich ganz der therapeutischen Arbeit mit Pferden. Neben diesen beiden Leiterinnen sind auf dem "Fannyhof" verschiedene Teilzeitmitarbeiterinnen, Praktikantinnen und Freiwillige tätig.

Emotionale Bindung zu den Tieren

Im Zentrum des Heilpädagogischen Reitens steht nicht die reiterliche Ausbildung des Kindes (ab Schulalter), sondern dessen physische und psychische Förderung. Davon können auch gesunde Buben und Mädchen profitieren. Beim Beobachten, Begrüssen, Anhalftern, Führen, Putzen, Hufauskratzen, Reiten, Füttern und Streicheln des Pferden lernen sich Kind und Tier spielerisch kennen. Da jedem Buben, jedem Mädchen stets dasselbe Pferd zugeteilt wird, entwickeln die Kinder eine starke emotionale Bindung zu Momo, Clooney, Pedro, Tondo und wie die derzeit fünf Gross-, sieben Kleinpferde und das Shetlandpony sonst noch heissen.  Weil sich die Tiere das ganze Jahr nach Lust und Laune im Offenstall oder im Freien aufhalten, zusammen dösen, raufen, spielen oder schmusen können, sind sie so ruhig und geduldig, dass auch ängstliche Kinder rasch Vertrauen zu ihnen fassen. Dieses wird durch gymnastische Übungen auf dem Pferderücken intensiviert. Der Bewegungsrhythmus des Tieres spielt dabei eine wichtige Rolle.

Kinder mit einer Beeinträchtigung werden im "Fannyhof" nach individuellem Therapieplan betreut. Dabei geht es um das Schulen von Wahrnehmungs- und Durchsetzungsvermögen, Körperbewusstsein, Motorik, Selbstwertgefühl, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Das gemeinsame Reiten mit Gesunden soll Integration, Toleranz und gegenseitiges Verständnis fördern.

Obschon die Leiterinnen den Preis für eine Therapiestunde möglichst tief ansetzen, können ihn viele Familien nicht bezahlen. Die Invalidenversicherung (IV) anerkennt das Heilpädagogische Reiten nicht, und die Krankenkassen leisten nur vereinzelt freiwillige Beiträge aus der Zusatzversicherung. Der vor einigen Jahren von Mitgliedern des Lions Club Winterthur-Wyland gegründete, von Urs Frutiger (Winterthur) präsidierte Verein "Pro Fannyhof" hilft, derartige Härtefälle zu mildern.

Vorführungen auf dem Pferderücken

Letzten Sonntag wurde der 15. Geburtstag des "Fannyhofs" tüchtig gefeiert. Dabei erfuhren die schätzungsweise 600 Gäste nicht nur, was hier alles läuft und was Heilpädagogisches Reiten bedeutet. Die jungen Reiterinnen und Reiter plus ihre Pferde hatten zusammen mit den Leiterinnen sogar zwei Vorführungen einstudiert, nach dem Motto "Juhui, Sommerferien!". Mit ungeheurem Stolz demonstrierten sie ihr Können. die erste Vorführung drehte sich um "Badeferien am Meer", die zweite um "Wanderferien in den Bergen" - stets im passenden Tenü: Bei der ersten trugen die Pferde "Schwimmflügeli" an den Vorderläufen und Badetücher über dem Hals. Bei der zweiten Vorführung ging es unter anderem um ein Picknick auf der Pferdekruppe sowie ums Seilschwingen vom Pferderücken aus.

Ausserhalb der Vorführungen lockten allerlei Attraktionen: Ponyreiten, Hufeisenwerfen, "Fischete", ein Verkaufsstand mit "Fannyhof"-Artikeln plus ein Wettbewerb. Zum Finden der richtigen Antwort musste man aufgestellte Infotafeln durchforsten. Dabei erfuhr man unter anderem, dass neben Kindern auch gesunde oder behinderte Jugendliche und Erwachsene hier willkommen sind. Selbstverständlich gab es auch eine Festwirtschaft und Rosmarie Ebneter (Winterthur) lieferte dem fröhlichen treiben mit der Handharmonika den musikalischen Rahmen. Der Erlös ist für das Heilpädagogische Reiten bestimmt (reduzierte Preise in Härtefällen).


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